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Mein Leserbrief zur ARD-Übertragung am ersten WM-Spieltag

Verfasst am | 27. Juni 2011 | Keine Kommentare

Eines Vorweg: Trotz sportlicher Empathie ist meine Affinität zum Frauenfußball eher gering. Das ist nicht despektierlich zu verstehen, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Niveaudichte mir persönlich zu gering war in den letzten Jahren. Deutschland, die USA und Brasilien, vielleicht noch Schweden, der Rest spielt in mindestens 1-2 Ligen darunter. Das ist sportlich wenig reizvoll und reißt mich nicht vom Hocker. Das hat nichts mit der Leistung der Deutschen zu tun, die können logischerweise recht wenig dafür, aber drückt meinen Drang den Fernseher anzuschalten doch ziemlich stark. Außerdem finde ich, dass man durchaus angemessene Kritik und eine objektive Bewertung eines Spiels durchführen muss, auch wenn das im Heiter-Sommermärchen-reloaded-Land durchaus negativ sein kann. Z.B. war die Leistung Frankreichs gestern verglichen mit den Resultaten aus der Quali unterirdisch, die Affäre im nigerianischen Verband skandalös; beides wurde aber entweder nicht oder nur völlig unzureichend thematisiert. Hauptakteur ist hier die ARD, welche den ersten Spieltag übertragen „durfte“. Selbige Übertragung war Anlass für meinen nachfolgenden, an die ARD gesendeten Kommentar:

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Gebührenzahler mit studentischem Budget habe ich gestern mit einer Mischung aus Empörung, Wut und Ratlosigkeit die Berichterstattung zu Frauenfußball-WM in der ARD verfolgt. Die indiskutable Kommentierung der Herren Bartels und vor allem Schmelzer war an Oberflächlichkeit, Kritikarmut und Schwadroniertheit nicht zu überbieten. Dass es noch schlimmer geht, zeigten die Herren Lufen und Antwerpes mit ihren „Expertinnen“: Nach dem Spiel gab es weder Interviews, die Tore oder eine einzige halbwegs fachliche Analyse. Stattdessen die Glückspirale, Börse und Wetter, was den echten Stellenwert der WM innerhalb ihres Senders exzellent widerspiegelt. Schnell noch vor 20 Uhr alles abarbeiten, damit Tagesschau und Polizeiruf 110 richtig starten können. 110 hätten aber lieber die Verantwortlichen der Übertragung anrufen sollen, denn selbst Bartels und Schmelzer konnten noch unterboten werden: Was hat eine Franziska van Almsick auf der Moderatorenplattform verloren, die sich aus dem Stadionheft wenige Infos holt und ansonsten maximal die Laola anpreisen kann? Was ein Antwerpes, der es schafft, nicht über das eigentliche Eröffnungsspiel zu reden, sondern stattdessen eine Perücke aufzuziehen? Lufen, der als Mittvierziger das Internet als „Netz, wie es die jungen Menschen sagen“ tituliert und ein Kommentatorenduo, welches negative Kritik höchsten aus der objektiven Bewertung ihrer eigenen Leistungen kennt.

Meine Damen und Herren der ARD, was sie hier anbieten, ist ein Armutszeugnis für öffentlich-rechtliche Berichterstattung. Mit einem Budget ihrer Dimension erwarte ich fachliche Analysen von echten Experten, die besten verfügbaren Kommentatoren und eine angemessene Vor-und Nachberichterstattung. Sie lieferten nichts davon, haben Kommentatoren, die nur darauf bedacht sich Alice Schwarzer – konform durch das Spiel zu lavieren und Moderatoren, die selbst Kai Ebel und Florian König von RTL wie fachkundige Sportjournalisten aussehen lassen.

Shame on you, ARD.

Mit freundlichen Grüßen,

Julian Bühler

PS.: Wie es mit kleinem Budget richtig geht, zeigte wieder einmal Eurosport. Ralf Itzel und Andreas Jörger haben in hohem Maße das Spiel selbst in den Vordergrund gerückt, eine adäquate Analyse betrieben und nicht jeden harmlosen Schuss von Deutschland durch lautes Schreien zum Quais-Tor aufgewertet. Und das, obwohl sie auch schon besser kommentiert haben. Anschließen gab es im Gegensatz zur ARD drei Interviews und die Highlights des Spiels. Wenn die ARD die WM tatsächlich so ernst nimmt wie es zu suggerieren versucht, dann ist es schwer opportun, die Moderatoren und vor allem Kommentatoren diesem Stellenwert anzupassen. Alles andere wäre ein indiskutables Verschleudern von Gebührengeldern. Selbst wenn die Quote stimmen mag, die ARD täte gut daran, sich nicht zu stark daran festzuklammen!

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