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US Wahl 2012 – Sekt am Times Square mit *Sieverstusch* Sascha Lobo

Verfasst am | 7. November 2012 | Keine Kommentare

So, die lange Wahlnacht ist vorbei und das Ergebnis ist, dass alles beim Alten bleibt. Was das für die USA heißt mit 16 Tagen bis zum automatischen Sparzwang weiß ich nicht genau, aber auf jeden Fall gibt es direkt einiges zu tun für Barack Obama – und die Zusammenarbeit mit den Republikaner im Repräsentantenhaus ist da sicher nicht das Einfachste. Die Wahl selbst habe ich auf diversen Sender verfolgt, angefangen beim ZDF, selten bei der ARD, quasi nie bei RTL und meistens bei Phoenix oder CNN. Im Internet lief ein Stream von Fox und eine Übersichtsseite mit den Prognosen aller bekannten US-Networks.

Hier mit etwas Abstand eine kurze Einschätzungen der verschiedenen Sender, soweit mir das trotz medialer Reizüberflutung möglich ist:

ARD: Jörg Schönenborn führte durch das Programm und Tina Hassel war die Frau vor Ort in Washington. Die Sendung war für mich eine Mischung aus Erfüllungsgehilfe und zwanghaftem wir-müssen-die-Zeit-bis-too-close-to-call-vorbei-ist-überbrücken. Die Gäste waren mitunter prominent, aber das Ganze war vor allem durch Zusatzmoderatoren wie Matthias Obdenhövel nicht ganz ernstzunehmen. Ich mag den für Sport- und Unterhaltungssendungen sehr, aber bitte nicht für eine seriöse Wahlsendung. Und diese mit einem Glas Sekt und Jubel ob des Obama Sieges zu beenden, konterkariert einerseits die Neutralität der Sendung und spiegelt andererseits die traurig einseitige Berichterstattung in Deutschland vor der Wahl wieder. Aber keine Angst, es geht noch viel, viel schlimmer…

ZDF: Oh mein Gott, was hat das ZDF denn da veranstaltet? Ich bin TV-technisch de facto sehr häufig bei Bettina Schausten und Christian Sievers hängengeblieben, aber das hatte nur und ausschließlich damit zu tun, dem Grauen aktiv folgen zu wollen. Umgeschaltet habe ich meistens dann, wenn ich es vor fremdschämen nicht mehr ausgehalten habe. Die Sendung bestach durch aktue Oberflächlichkeit, die durch unzählige Außenkorrespondenten wieder wett gemacht werden sollte. Während aber ein Claus Kleber nahezu komplett in den Weiten des Internets verschwand obwohl er twitterte wie blöde, bekam eine Dunja Hayali peinliche Live-Auftritte zur besten Sendezeit an einem der wohl interessantesten Orte der USA (Times Square). Ihre Interviewführung mit den Einwohnern war ähnlich eloquent wie das Morgenmagazin um 6 Uhr morgens und ich habe mich ernsthaft gefragt, wer sich das ausgedacht hat: Eine gerademal 18-jährige, die das zuvor zweimal deutlich betont hatte, allen ernstes zu fragen, ob sie vor vier jahren auch Obama gewählt hat, lässt sicher die eine oder andere Option für eine Klage auf Rückerstattung der GEZ-Gebühren für Hayalis Flug offen. Unfassbar! Das endgültige Grauen wurde dann aber studiointern weitergeführt durch die Social Media – Integration von Jeannine Michaelsen und der Twitterwall, die einzig durch Nacktfotos während eines Fritz Egner Interviews skurille Aufmerksamkeit erhaschte. Die Bezugspunkte zwischen Fernsehen und Internet waren so, wie sie gefühlt seit Jahren im Fernsehen sind: Nämlich = null. Kein Sender hat es in Deutschland bisher verstanden, Twitter oder Facebook wirklich richtig einzusetzen. Es gibt aber nur zwei Möglichkeiten: Entweder komplett ignorieren oder sinnvoll einbeziehen. Als das ZDF dann noch Sascha Lobo auskramte, war dann alles vorbei. Wie man dem Möchtegern-Jungspund ernsthaft abkaufen kann, dass er die „junge Generation“ (was auch immer das tatsächlich ist) repräsentiert, ist mir völlig schleierhaft. Wer es nötig hat, sich pseudoauffäliig mit nem roten Irokesen zu zeigen, um überhaupt wahrgenommen zu werden und dann Sätze wie „das wird auf Twitter viel und ausgiebig diskutiert“ verbreiten darf, ohne irgendwelche Einordnungen vorzunehmen, hat in einer solchen Sendung nichts verloren. Und wer dann nicht investigativ nachfragt, auch nicht, liebe Frau Schausten. Aber einen hatte das ZDF ja noch übrig: Christian *Tusch* Sievers. Wie schon in 2008 ahmte er mit IPad-Imitat und riesigem Bildschirm die CNN-Wall zielgruppengerecht für das Publikum Ü60 nach und machte auf Medienguru. Leider klemmte es natürlich bei der Touchscreenbedienung des Öfteren (was bei Schönenborn in er ARD auch der Fall war) und die Informationen per Tusch waren teilweise so neu, dass sie CNN oder NBC bereits schon wieder aus ihrer Breaking-News-Schleife herausgenommen hatten! Das Highlight war dann sein Satz, dass der Tweet von Obama und das inzwischen weltbekannte Umarmungsfoto ja mitunter etwas verfrüht sein würden und auch gar nicht von Obama selbst kommen müsse. Blöd ist halt, wenn zur gleichen Zeit FOX News Obamas Sieg erklärt. FOX News! Da spielen die Trendprognosen des ZDF-Statistikkonsortiums halt mal gar keine Rolle, die noch nichts Definitives sagen können. Wenn FOX News Obamas Sieg erklärt als erzrepublikanischster Sender der ganzen USA, dann hat Obama auch gewonnen. Nur Sievers war sich nicht sicher. Shit happens.

RTL: Lange Zeit habe ich nichts von einer Berichterstattung mitbekommen und erst ein versehentlicher Knopfdruck auf die Fernbedieung zauberte Peter Klöppel auf die Mattscheibe. Ich habe mir den Mist ca. 8 Minuten angeguckt und war fast entsetzt, dass RTL keine Scripted Reality davon gemacht hat. Wie auch immer: Uschi-TV wie man es nicht anders erwarten durfte, bei dem die Kleider der Kandidatengatinnen diskutiert wurden und der Glamour von New York City im Speziellen. Jeder weitere Kommentar wäre zu viel, Unsinn und Zeitverschwendung.

Phoenix: Ja, so geht es. Und es verwundert nicht, dass mal wieder Phoenix mit wenig Aufwand das meiste rausholte. Ein Moderator, ein Kommentator und die meiste Zeit eine Übernahme der CBS-Berichterstattung. Diese wurde meistens während deren Werbepausen reflektiert, kommentiert, kritisiert und interpretiert (ein ganz entscheidender Unterschied zur willkürlichen Wiedergabe von Twitterinhalten im ZDF). Ganz einfach, ohne Trubel, ohne C-Promis und ohne Sekt. Vielleicht mag das für viele Langweilig sein, aber es handelt sich eben immer noch um einen Wahlabend und nicht den Superbowl.

Fazit: Dass die deutschen Hauptsender so schlechte Quoten eingefahren haben, stimmt mich positiv. Allerdings glaube ich nicht an schlechte Quoten wegen der Art und Weise der Berichterstattung, sondern wegen eines allgemeinen Desinteresses an Politik. Da hilft dann auch kein Sekt, kein Lobo und kein Times Square.

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