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Consulting vs. Koffein

Verfasst am | 10. November 2010 | Keine Kommentare

IT-Consultants, Business-Consultants, Technology-Consultants, ECO-Consultants, Facility-Consultants – es geht nichts über die liebe Beratung. Machte sich vor Jahren noch Verzweiflung, Stress oder Depression als Indikator für Überforderung und Missmanagement breit, ist heute alles viel einfacher. Kaum ist das kleinste Anzeichen eines Problems identifiziert, sehnt sich der Herausforderer nach dem neuen Wundermittel am Unternehmerhimmel: Der Unternehmensberatung!

Was lange währt, wird endlich gut. So oder ähnlich klang wohl noch vor einigen Jahren die Einstellungen der Entscheidungsträger in Unternehmen. Und wenn erfolgreich analysiert wurde, dass statt der Pepsi Cola lieber Coca Cola im firmeneigenen Getränkeautomaten stehen muss, um die Mitarbeiter ordentlich mit Koffein zu versorgen, konnten sie sich zumindest entsprechend dafür feiern lassen. Selbst die schlimmsten Betriebsräte stießen wohl mit (Cola) an ob der weisen und tragfähigen Idee des Vorgesetzten.

Heute würde der Getränkeautomat höchstwahrscheinlich nichtmal zu Disposition stehen, sondern als ein „Instrument der Ablenkung und negativen Beeinflussung der Gesundheit“ in einer ersten Amtshandlung des Jung-Möchtegern-Yuppie-Consultants wegrationalisiert werden. Die so gesparten Lizenz- und Wartungsgebühren könnten dann praktisch in der Verdienstabrechnung des Consultants auftauchen.

Aber was ist so schlimm daran, eine Unternehmensberatung zu konsultieren? Es gibt bestimmte Situationen und Aufgaben, die kein Mitarbeiter oder Vorgesetzter eigenständig erledigen bzw. deligieren kann. Wer sollte das also besser können als externe Personen, die Erfahrung in diesem Gebiet haben? Warum also die Kritik?

Problem 1: Der Mensch

Der erste Grund ist ein trivialer. Vielleicht ist er so trivial, dass er von vielen Personen, die in diesem Gebiet arbeiten oder sich damit beschäftigen, nicht wahrgenommen wird. Der Grund ist der Mensch selbst! Naturgegeben ist er misstrauisch und beratungsresistent; neben eigenen Erfahrungen spielen höchstens Ratschläge von Vertrauenspersonen eine wichtige Rolle. Das Kind wird solange magisch von der Herdplatte angezogen, bis es sich die Finger verbrennt. Kein Ratschlag dieser Welt, nichtmal von den eigenen Eltern, kann dies präventiv verhindern. Gleiches gilt auch im Unternehmen: Niemand wird die Anweisungen eines externen Consultants erfreut befolgen, wenn er noch ein „eigenes Konzept“ im Hinterkopf hat; höchstens die Autorität des Vorgesetzten zwingt einen dazu. Aber genau das ist das Problem: Die Leistungsfähigkeit sinkt mit dem Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Maßnahme. Ist der Consultant dann noch eine zwischenmenschliche Niete oder ein nerdiger Fachidiot, sollte man definitiv den Colaautomaten bevorzugen: Das motiviert zumindest die Mitarbeiter zumindest für die Dauer des Koffeinschubs.

Problem Nummer 2: Beliebigkeit

Mit dem zunehmenden Drang, viele bis alle Probleme an einen vermeindlichen Verantwortungsträger (welcher ein Colsultant nie ist!) abzugeben, steigt auch die Gefahr, teil eines routinierten Ablauf zu werden. Was zunächst positiv klingt, kann schnell zum Boomerang werden: Die persönliche, individuelle Betreuung entpuppt sich schnell als ein out-of-the-box-Konzept, dessen einziger Vorzug die Erprobtheit in vielen anderen Unternehmen ist. Leider hat das weder etwas mit persönlicher Beratung noch mit individuellen Lösungen zu tun. Das Wort Innovation in diesem Kontext zu verwenden erübrigt sich leider sowieso ohne weitere Erwähnung. Und das Resultat des Ganzen: Die Unternehmen werden ähnlicher, nicht notwendigerweise in der Geschäftsidee (soweit vorhanden), sondern in ihrer Organisation. Völlig unabhängig davon, ob Autos gebaut, Arzneimittel produziert oder Zeitungen verlegt werden – die einzelnen Abteilungen werden sich immer weiter annähern.  Die Finanzabteilung rennt einer Balanced Score Card hinterher, die IT versucht ihren wahren Nutzen zu quantifizieren, in der Personalabteilung Human Ressources Management Branch wird ein Einstellungsstop zwecks Risikominimierung erprobt und das Marketing versprüht die Kreativität einer im Novemberregen spazierenden Karteileiche.

Problem Nummer 3: Selbstzweck

Dies führt unweigerlich zum letzten Malus, den eine Unternehmensberatung ungewollt in ein Unternehmen einführen kann. Unter der Obhut eines überkandidelten SAP-Systems, dessen Vorzüge der Berater nach der 1000sten Schulung endlich zum größten Teil selbst verstanden hat, wird das Streben nach Kennzahlen zum eigentlichen Unternehmenskredo. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter oder die Qualität des eigenen Produktes wird abgelöst durch die Anpreisung einer Steigerunsrate von 6,0815% im Bereich der Kugelschreiberaquise durch die Mitarbeiter in Eigenregie. Die IT hingegen wartet damit auf, mit Hilfe der japanischen Variante der SAP-Maske neue Werte erstellen zu können, die nichtmal ein Japaner inhaltlich interpretieren könnte. Aber die Werte sind um 5% gestiegen, dass kann gar nicht schlecht sein! Oder sind das Kosten? Hauptsache, das dazugehörige Balkendiagramm passt auf ein DinA4-Blatt.

Mein Fazit:

Im Streben nach Profit liegt irgendwie der Sinn einer Unternehmung begründet. Auf der Metaebene somit auch der Unternehmensberatungen selbst. Das heißt, möglichst viele lukrative Jobs zu ergattern, diese halbwegs adäquat zu erledigen und dafür zu sorgen, dass es möglichst teuer für den Kunden wird. Immerhin ist das die Einnahmequelle. Natürlich darf man das nachfragende Unternehmen nicht finanziell überstrapazieren, sonst verliert man es. Das ist dann auch der schwierigste Part: Möglichst viel Geld verdienen, ohne den Kunden zu verlieren, möglichst wenig Aufwand benötigen, ohne ein komplett (zumindest offensichtlich) schlechtes Konzept zu installieren. Daher auch der Rückgriff auf vermeintlich Bewährtes. Aber das ist eben genau die Krux an der Sache aus Sicht des Unternehmens:

Es bezahlt teuer für eine Leistung, die oft nicht im erforderlichen Maß angepasst ist und wird hinterher mit einem Help Desk als schwachem Rettungsanker sich selbst überlassen.  Im Zeitalter von denglischen Sensationswörter, die nach 5*-Premium-Produkt klingen und außerhalb Deutschlands von niemanden verstanden werden, weil sie mit Englisch soviel zu tun haben wie der Eiffelturm mit London, kann alles an den Mann gebracht werden.  Und das nutzen die Consultants aller Art aus. Die so gewonnene Präsenz auf dem Markt wird dann ausgenutzt, um konsequent auf Meetings und Workshops die Notwendigkeit der eigenen „Lösungen“ zu propagieren.

Was sollte sich ändern? Die Chefs, Entscheider und Vorgesetzten sollten genauso wie die Mitarbeiter ihre originären Aufgaben nach inhatlicher Prüfung angehen. Statt inflationärer Verwendung von Jour Fixes und Telkos wäre eine intensive und vor allem ungestörte Fokussierung auf die eigenen Aufgaben sehr häufig Gold wert. Dadurch könnten kreative, zugeschnittene und eigenen Lösungen entwickelt werden, die kein Consultant jemals erreichen könnte, weil ihm das Insiderwissen und die alltäglichen Abläufe und Interna genauso fehlen wie der Überblick über die Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter.

Aus diesen Gründen ist in meinen Augen dringend von der unsinnigen Kosultation von Unternehmensberatungen abzusehen, deren Existenz oft hauptsächlich nur von geschickter Selbstanpreisung und Imagepflege geprägt ist. Stattdessen habe ich einen heutzutage leider fast schon innovativen Vorschlag: Einem echten Experten auf dem erforderlichen Gebiet einen unbefristeten Vertrag geben und ihn dauerhaft für das Unternehmen zu gewinnen. Mit dem gesparten Geld sitzt dann  sicher auch eine Dauerkarte für den Colaautmaten drin.

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